Überleben auf See / Leckabwehr mit Bordmitteln

von Peter

Eine Seefahrt die ist lustig, eine Seefahrt die ist schön…bis der „Ernstfall“ eintritt!

Am Samstag den 06.01.2024 bin ich morgens früh aufgewacht. Heute ist es soweit. Meine ersten Gedanken sind: was wird uns erwarten? Wie wird es sein, in einer simulierten Situation auf den Ernstfall vorbereitet zu werden? Denn heute werde ich, zusammen mit 15 Vereinskamerad:innen vom Sail-Lollipop Regatta Verein an einem Überlebenstraining „See“ teilnehmen.

Um 09:00 Uhr startete das Training „Überleben auf See / Leckabwehr mit Bordmitteln“ mit Tobias Schultze und seinem Team vom Trainingscenter Fire & Safety in Elsfleth.

Spannend, denn schon zu Beginn wird klar, mit dem Thema „Überleben auf See“ habe ich mich nie wirklich beschäftigt. Es geht los mit der eigenen Rettungsweste. Ich merke, ich bin nicht alleine mit meinen Fragen. Unsere Gruppe diskutiert lebendig: Welche verschiedenen Typen von Rettungswesten gibt es? Welche Auftriebsklasse brauche ich, ist mehr immer Sinnvoll? Welche Vor- und Nachteile haben die verschiedenen Ausführungen und Hersteller?

Ein besonderes „aha“: Verlass Dich nie darauf, wenn Du eine neue oder fremde Rettungsweste nutzt oder diese direkt aus der Wartung kommt. Prüfen ist hier das Stichwort. Es kann Dein Leben davon abhängen! Sind die Kammern verdreht? Ist die CO2 Kartusche richtig installiert? Ist eine Rettungs- LED installiert?

Was so trivial klingt, sollten wir später im Becken selbst feststellen: eine Weste hat nicht ausgelöst und eine zweite hat sich nur zur Hälfte mit Luft gefüllt.

Aber erst mal in die Kälte. Nachdem wir in zwei Gruppen aufgeteilt wurden, durften wir bei 3°C und Schneeregen nach draußen, um „unser“ leckgeschlagenes Segelboot zu flicken. Dabei musste jeder von uns ein sprudelndes Leck mit Hilfe von kleineren Gummimatten, Holzlatten und Hammer provisorisch stopfen. Somit, „sinnvolles“ Werkzeug nicht vergessen! Weiter, wurde praktisch demonstriert, wie man kleinere Löcher oder Risse mit einer im Baumarkt erhältlichen Paste provisorisch verschließt. Bei größeren Löchern kann eine ausrangierte Rettungsweste, umwickelt mit einem Handtuch, dass Loch ausreichend abdichten. Wichtig dabei! Niemand zieht im Ernstfall seine eigene Weste aus!

Dann endlich; umziehen und im wohlig temperierten Schwimmbad bei angenehmen 22,8°C Wassertemperatur aufwärmen. Dachte ich, aber dazu gleich mehr.

Angefangen haben wir mit der Rettung eines über Bord gegangenen Crewmitglieds mit Hilfe von Bordmitteln. Das Spi- oder Großfall kam zusammen mit einem Tampen mit Auge und Karabiner zum Einsatz. Allerdings gefiel mir das Popup Netz zur Rettung besser. Dieses ist klein und kann sogar beim Charter Törn gut mitgenommen werden.

Danach durften wir alle nacheinander in voller Segelbekleidung und Rettungsweste ins Wasser. 22,8°C Wassertemperatur? Nach ein paar Minuten „treiben“ wird das ganz schön kalt.    

Wir übten, eine Raupe zu bilden und synchron mit den Armen zu rudern. Petra, als unsere Skipperin, hatte das Kommando und gab mit „1“, „2“ den Takt vor. Ganz schön anstrengend.

Anschließend bildeten wir schwimmend einen Kreis, und übten „weißes Wasser“ zu produzieren. Weißes Wasser soll im Ernstfall zur besseren Sichtung aus einem Rettungshubschrauber beitragen. Seegang und Wellen erschweren die Aktion und ich habe schnell gemerkt, wie unangenehm das Atmen und ggf. Wasserschlucken ist. Wichtig bei der Übung ist das Finden des Atemrythmus, ohne dabei zu Hyperventilieren: ruhig im Wellental einatmen und auf der Welle oben ausatmen. Nicht einfach, da die Wellen nicht gleichmäßig sind und manchmal sogar über einem brechen. Um die Sache rund zu machen, gab es zusätzlichen Regen…

Petra war für die „gute“ Stimmung im Wasser verantwortlich. Singen lenkt ab und somit stimmte Sie zum Mitsingen an. Mitsingen? Die Geräuschkulisse ist so heftig und der Druck der Rettungsweste auf die Ohren machte das hören schwierig. Auf jeden Fall war ich abgelenkt und ich konnte mich überzeugen, dass der Schwimmer neben mir wohl auf ist.

Wir übten nacheinander eine 12 Personen Rettungsinsel zu drehen und hineinzuklettern. Dabei haben sich diejenigen leichter getan, die sich an den vorher im Seminarraum gegebene Tipp erinnert haben, Luft aus der Rettungsweste zu lassen. Denn so hatte man weniger Abstand zwischen sich und der Insel und dadurch einen leichteren Einstieg. Wobei leicht relativ ist. In voller Kleidung und nach 45 Minuten „Übungen im Wasser“ ist die Kraft und physische Stärke, zumindest bei mir, gefordert. Hilfreich war bei der Viking Rettungsinsel ein tieferes zweites Podest. Dies ermöglicht einen Zwischenschritt zum „innehalten“ und verhindert das Kopfübergehen der Insel beim Einstieg. Später saßen wir zu siebt in der Rettungsinsel. 12 sind Maximum. Ich mag es mir nicht vorstellen. Schon zu siebt ist es eng und mich überfällt ein leicht klaustrophobisches Gefühl.

Die Insel wird geschlossen und über uns ergießt sich ein Gewitter mit starkem Wellengang. Danach üben wir das Abbergen aus der Rettungsinsel in einen Helikopter mit Rettungsschlinge.

Als letzte Übung „durften“ wir wieder ins Wasser springen, um quer durch das Becken bei Wellengang und auf dem Rücken liegend, zur Jakobsleiter zu gelangen. Diese mussten wir dann selbstständig senkrecht nach oben klettern.

Meine Kräfte ließen im Laufe der zwei Stunden im Wasser stark nach. Auch wenn alles eine Übung unter kontrollierten Bedingungen ist und zu keiner Zeit eine echte Gefahr besteht, fühlt es sich sehr real an.

Für mich war es eine tiefgreifende, mentale und körperliche Grenzerfahrung. Was ich für mich persönlich mitnehme? ICH WILL NIE IN DIESE SITUATION KOMMEN! Aber was heißt es noch? Wir haben so viel Technik an Bord, damit wir scheinbar in Sicherheit sind. Stopfen zum Leck dichten, Dichtpasten, Brunnenschaum, EPIRB, PLBs, AIS- und DSC-Finder, Rettungsinseln und Rettungswesten… Aber was nützt einem das, wenn man nicht weiß, wie damit umzugehen? Bei einer aufgeblasenen Rettungsweste ist man stark in der Bewegung eingeschränkt. Weiter ist man in der Stresssituation nicht in der Lage, mal eben die Anleitung zu lesen. Das muss „blind“ passieren. Auch die Erfahrung „passt die Rettungsweste für mich“ ist hilfreich. Nicht nur der feste Sitz der Weste, was durch die Schrittgurte auch unangenehm sein kann, sondern auch das Gefühl bei ausgelöster Weste: wird mein Kopf genügend über Wasser gehalten, werde ich nach vorne gedrückt, kann ich ausreichend und gut atmen, wie ist es unter einer Spray Hood zu atmen…

Ich bin dankbar für diese Erfahrung und auch für das Team von Fire & Safety in Elsfleth. Durch die gegebene Möglichkeit fühle ich mich jetzt besser geeignet, Situationen einzuschätzen und vielleicht lieber im Grenzfall im sicheren Hafen zu bleiben, als schnell noch einen Törn bei unsicherem Wetter zu machen. Und vor allem erinnert es mich, meine Rettungsweste immer zu tragen.

Zu wissen, dass es Menschen gibt, die beruflich oder ehrenamtlich DGzRS Die Seenotretter unterwegs sind und bereit sind anderen zu helfen, auch wenn das eigene Leben in Gefahr ist, erfüllt mich mit tiefer Dankbarkeit.

Ich habe den Tag überlebt. Was so flapsig klingt, ist dennoch ernst gemeint. Die Simulation ist sehr realistisch und lässt mich mit einem guten Gefühl zurück, mit Respekt der Natur gegenüber, der neuen Segelsaison entgegenzufiebern.

Bis dahin „freue“ ich mich auf den zweiten Teil unseres Lehrgangs „Erste Hilfe und Brandbekämpfung auf See“, welches am 02. März 2024 ebenfalls bei Fire & Safety in Elsfleth stattfindet. Bis dahin… mit seglerischem Gruß, Holger

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