Runder Tisch Biofouling in der Sportschifffahrt

von Peter

Protokoll 1. Runder Tisch Biofouling in der Sportschifffahrt 2024

1. Runder Tisch Biofouling in der Sportschifffahrt 2024
Datum und Uhrzeit: 10.06.24, 9:30 – 16:00 Uhr
Ort: Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie, Bernhard-Nocht-Straße 78, 20360 Hamburg
Online: Teams

Am 10. Juni 2024 fand der „Erste Runde Tisch Biofouling in der Sportschifffahrt“ statt. In Hamburg trafen sich auf Einladung des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrograhie (BSH), des Deutschen Segler-Verbands (DSV) und des Deutschen Motoryachtverbands (DMYV) Expertinnen und Experten zum Thema Biofouling. Der unerwünschte Bewuchs untergetauchter Oberflächen mit Organismen wie Mikroben, Algen und Muscheln stellt zunehmend Sportbootbesitzerinnen und -besitzer vor Probleme: Der Treibstoffverbrauch steigt, die Emissionen der Boote erhöhen sich, eine Manövrierunfähigkeit kann zu mehr Unfällen führen. Zusätzlich wird durch Biofouling die Gefahr der Ansiedelung von sogenannten invasiven oder nicht-heimischen Arten verstärkt, die eine Gefahr für Umwelt und Mensch darstellen können.
Wie können Wassersportlerinnen und Wassersportsportler dieses Problem managen? Welche alternativen Lösungen gibt es aktuell auf dem Markt? Und welche aktuellen Empfehlungen und Richtlinien sind hilfreich? In Fachgesprächen und im direkten Austausch werden diese Fragen diskutiert und beantwortet.

TOP 1 Biofouling und Grundlagen
Biofouling Grundlagen
Vortragende: Nicole Heibeck & Mariusz Zabrocki, BSH
Präsentation: 1. Biofouling Grundlagen_BSH
Kurze Einführung in die Entstehung von Biofouling, die Probleme, die mit dem Bewuchs einhergehen, und aktuelle Maßnahmen zur Bewuchsreduktion. Keine der vorhandenen Management-Maßnahmen liefert bislang ein perfektes Ergebnis ohne gleichzeitige negative ökologische Auswirkungen oder negative Auswirkung auf die nautische Handhabung oder den Treibstoffverbrauch des Fahrzeugs. Die Entwicklung von umweltfreundlichen, reinigungsfähigen Bewuchsschutzsystemen rückt aber immer stärker in den Fokus.


Neobiota
Die Verbreitung nicht-einheimischer Arten ist weltweit eine der größten Bedrohungen für die Biodiversität. Beispiele für Deutschland sind die Quagga-Muschel im Bodensee oder der Kalkröhrenwurm in Ost- und Nordsee. Das BSH führte zwischen 2017 und 2024 Untersuchungen des Biofoulings von Sportbooten durch und befragte ~ 120 Sportbootbesitzer u.a. zu ihrem individuellen Biofouling-Management und ihren Kenntnissen zu Neobiota, Antifouling-Systemen (AFS) und Regularien. Unkenntnisse in der Wahl und der Nutzung von Antiouling-Systemen und den relevanten Regularien führen zu einer unnötigen Verwendung stark biozidhaltiger AFS auch in Gebieten, die einen geringen Bewuchsdruck aufweisen. Die Brackwasserhäfen an der Nordsee, in denen bereits invasiven Arten vorkommen, unterscheiden sich von denen an der Ostseeküste. Hier wird das Konzept der Wahl des mildesten AFS durch die Umstände am Liegeplatz eventuell erschwert.
Erklärvideo „Exoten im Bewuchs“
In der anschließenden Diskussion wurde auch auf den Bewuchsatlas hingewiesen, der vielen Nutzern bereits ein Begriff ist. Es wurde hervorgehoben, dass Produkte für die Öffentlichkeitsarbeit umfassend verteilt werden sollten.
Unterwasserschiffsreinigung bedarf einer Erlaubnis (Erlaubnispflicht) und darf nicht ohne diese durchgeführt werden.
Sportboote tragen zur sekundären Verbreitung von nicht-einheimischen Arten bei, wobei Berufsschiffe für die primäre Einschleppung maßgeblich verantwortlich sind. Eine eingeschleppte Art wird man, wenn überhaupt, nur unter einem sehr hohen Zeit- und Kostenaufwand wieder los, weshalb die Prävention das Mittel der Wahl ist.

Internationale Entwicklung
Vortragende: Nicole Heibeck, BSH
Präsentation: 2. Biofouling_Internationale Entwicklungen_BSH
Kurze Übersicht über die bestehenden internationalen Regularien, die auf dem Gebiet des Biofouling-Managements bestehen und die Gremien, in denen diese Regularien verhandelt werden (HELCOM, OSPAR, EU, IMO).
Der DSV fügt hinzu, dass eine deutsche Übersetzung der IMO Guidelines auf seiner Homepage im Bereich „Umwelt und Recht“ bereitliegt. Des Weiteren wird die Erstellung von Wenn-Dann-Szenarien vorgeschlagen, um ein individuelles Biofouling-Management zu erleichtern. Die Definition solcher Szenarien wäre allerdings sehr herausfordernd und äußerst zeit- und kostenintensiv. Eine ähnliche Plattform bietet der Bewuchsatlas des Umweltbundesamtes. Schlechte Erfahrungen mit dem Verzicht auf Biozide sind frustrierend und stehen dem Umstieg auf biozidfreie Alternativen entgegen. Dies zeigen auch Erfahrungen am Bodensee, wo es (bis auf VC17) keine Produkteinschränkungen gibt.


Zulassungsverfahren von Antifoulingsystemen und aktuelle Entwicklungen
Vortragender: Sascha Setzer, UBA
Präsentation: 3. Antifoulingprodukte_Regulatorik und aktuelle Entwicklungen_UBA
Herr Setzer vom Umweltbundesamt präsentiert die Biozid- und Produktzulassung in der EU und in Deutschland, gibt Einblicke in das Verfahren, den aktuellen Stand und einen Ausblick in die Zukunft. In der Produktart (PA) 21- Antifouling-Produkte – gibt es derzeit keine zugelassenen Antifouling-Produkte in Deutschland. Die zurzeit in DE auf dem Markt erhältlichen Produkte sind aufgrund von Übergangsregelungen verkehrsfähig und deshalb behördlich noch ungeprüft. Alle in DE zur Zulassung beantragten PT21-Produkte werden federführend von anderen EU-MS bewertet. Entscheidungen über Zulassung, Nicht-Zulassung oder (Teil)Zulassung der bewertenden Mitgliedstaaten stehen für diese Anträge überwiegend aus. Erst dann wird DE über das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung in den Entscheidungsprozess eingebunden. Informationen zu den in Deutschland und anderen Mitgliedstaaten zugelassenen Biozidprodukten sind in der ECHA Datenbank zusammengestellt. Auf der Internetseite der Bundesstelle für Chemikalien kann eine Liste mit denjenigen Biozidprodukten eingesehen werden, die sich aktuell im Entscheidungsverfahren befinden und deshalb aufgrund von Übergangsregelungen in DE genutzt werden dürfen. Durch die Biozidrechts-durchführungsverordnung wurde ein untergesetzliches Regelungswerk in Deutschland etabliert, welches u.a. neue Regeln für die Abgabe von bestimmten Biozidprodukten definiert. Ab 2025 wird der Kauf von Produkten aus der PA 21 auf dieser Grundlage nur noch nach sachkundiger Beratung möglich sein.
Das Thema wurde anschließend eingehend diskutiert. Dabei wurde hervorgehoben, dass sich die Regelungen der Biozid-Verordnung in erster Linie am dauerhaften Liegeplatz des Bootes orientieren
werden. Das vorübergehende Befahren anderer Gewässer wird i.d.R. außerhalb des Regelungsbereichs liegen. Dies lässt sich auch damit begründen, dass eine Freisetzung von Bioziden und anderen Beschichtungsbestandteilen zwar auch im Transit möglich ist, der überwiegende Anteil aber am dauerhaften Liegeplatz oder angrenzenden Gewässern freigesetzt wird, da Sportboote i.d.R. die meiste Zeit in der Heim-Marina liegen. Des Weiteren wird der Wunsch nach einer klaren Handlungsanweisung für Strafverfolgungsbehörden geäußert, dabei wird auch auf eine Verschärfung der EU-Verordnung (zur Novellierung des Umweltstrafrechts 2024) zur Einleitung von Schadstoffen durch Schiffe hingewiesen. Für biozidfreie Produkte ist im Gegensatz zu den PA 21 Produkten keine Produktzulassung notwendig.

Swiss Elementic Drive-in Boatswash
Vortragender: Dominik Kägi, Swiss Elementic
Präsentation: 4. Drive-in Boatswash_SWISSELEMENTIC
Vorstellung der Bootsreinigungsanlage, die auf einem Schwedischen System basiert, das in der Schweiz weiterentwickelt wurde. In Schweden sind bereits 35 solcher Reinigungsanlagen in Betrieb. Die Anlage kann Boote mit einem Hartantifouling oder ohne Beschichtung bis zu einer Länge von 16 m reinigen und benötigt für ein 10 m langes Boot etwa 15 Minuten.
Der Vortrag stieß auf großes Interesse bei den Teilnehmern und es wurde deutlich, dass die Bootswaschanlage auch in Deutschland genutzt werden würde. Gespräche wurden bereits zu einer Werft auf Fehmarn aufgenommen und auch die Beantragung des Blauen Engels wird erwogen. Einige technische Details wurden in der folgenden Diskussion näher erläutert und werden auch auf der Homepage des Runden Tisches Biofouling bereitgestellt.

TOP 2 Nachhaltiges Biofouling Management
Bewuchsatlas für den Wassersport in Deutschland
den Zulassungskriterien, Sascha Setzer, UBA
Präsentation: 5. Bewuchsatlas_UBA
Vorstellung des Bewuchs-Atlas und dessen Historie (Stand 2022). Der Bewuchsatlas gibt eine Einschätzung des Bewuchsdrucks in diversen Marinas sowie Empfehlungen für Bewuchsschutzmaßnahmen. Des Weiteren werden auch Informationen zu Marinas bzw. Liegeplätzen in Deutschland, Bewuchsorganismen und zu präventiven Maßnahmen für die Verschleppung invasiver Arten zur Verfügung gestellt.
Einigen Teilnehmern ist der Bewuchsatlas ein Begriff, die Bekanntheit sollte aber durch die Sportbootverbände und –Vereine weiter gefördert werden. Eine Aktualisierung und eventuelle Erweiterung wird in Aussicht gestellt.


Blauer Engel für Antifouling Produkte
Vortragender: Sascha Setzer, UBA, Bernd Daehne, DSV und Dr. Brill & Partner
Präsentation: 6. Blauer Engel für AF Produkt_UBA_DSV_DR.BrillundPartner
Präsentation des Umweltzeichens „Blauer Engel“ für Antifoulingprodukte mit den Produkttypen, die zertifiziert werden können, und den jeweiligen Zulassungskriterien. Die Vielfalt an Produkttypen stellte für die Kriterienauswahl eine sehr große Herausforderung dar, weshalb nicht jedes Kriterium für jeden Produkttyp relevant ist.
Die Auszeichnung von umweltfreundlichen Bewuchsschutzsystemen mit dem Blauen Engel soll in Zukunft zur verstärkten Nutzung solcher Systeme beitragen.


Biofouling im Marinabetrieb: eine Standortbestimmung aus der Praxis
Vortragender: Philipp Mühlenhardt, Sporthafen Kiel GmbH
Präsentation: 7. Biofouling im Marinabetrieb_Sporthafen Kiel
Herr Mühlenhardt stellt die Sporthafen Kiel GmbH vor, die insgesamt 10 Sportboothäfen in der Kieler Förde betreibt und viele umweltfördernde Maßnahmen in ihren Häfen bereits umsetzt. Ein intensiver Austausch mit den Mitgliedern des Vereins sowie zu anderen Interessengruppen aus z.B. Behörden und Forschung sind dabei besonders wichtig.


Abschlussdiskussion
In der Abschlussdiskussion wird noch einmal auf die Notwendigkeit einer Harmonisierung von gesetzlichen Vorgaben hingewiesen. Weitere gesetzliche Vorgaben werden in Ausschicht gestellt, wobei jedoch klar in Länder- und Bundesrecht unterschieden werden muss. Beispielsweise wird es ab 2025 ein Selbstbedienungsverbot für die Beschaffung von biozidhaltigen AFS ohne vorhergehende Beratung geben. Auch die Selbstapplizierung einzelner AFS könnte zukünftig einschränkt werden. Auch die Verbände können Druck auf die Wasserbehörden der Länder zwecks Harmonisierung ausüben. In einigen Nachbarländern (z.B. Niederlande und Finnland) gelten bereits verschärfte Regeln für den Einsatz biozidhaltiger AFS. Die Umsetzung solcher Regularien könnte in Deutschland angepasst übernommen werden. Von der WSP wird darauf hingewiesen, dass die Ermächtigungsgrundlagen für anlasslose Kontrollen in den Küstenländern sehr unterschiedlich sind. Die Überwachung von Farbanstrichen ist bislang nicht Teil des Schifffahrtspolizeilichen Vollzugs- und Überwachungsauftrags. Sie wird daher in den Küstenändern unterschiedlich umgesetzt. Hinsichtlich der strafrechtlichen Einordnung, ob eine Gewässerverunreinigung durch das Verwenden nicht mehr zugelassener Farbanstriche begangen wird, ist eine aufwendige Beweisführung notwendig. Der Aufwand, verbunden mit einer häufig, strafrechtlich gesehen, nur schwach nachvollziehbaren Verschlechterung des Gewässers führt eher zur Einstellung des Verfahrens.
Es wird weiterhin auf eine aktuelle Gesetzesinitiative der EU Umweltstrafrechtsreform 2024 (Ersetzung der 2008/99/EG) hingewiesen. Mit Umsetzung des dortigen Artikels 3 Abs (1) Buchst. c) röm. iv) werden bislang zulässige Praktiken im Do-it-Yourself-Bereich unter Strafe gestellt, die bislang ohne strafrechtliche Bedeutung waren. Auch die Inkraftsetzung des Anhang 30 der Abwasserverordnung wird thematisiert, dies würde zu einer Harmonisierung zwischen den Ländern beitragen.
Des Weiteren wird der Mangel an effektiv wirksamen, umweltfreundlichen Produkten hervorgehoben. Das Umweltbewusstsein ist bei Sportbootnutzern vorhanden. Benötigt werden Produkte und alternative Möglichkeiten, die verlässlich wirksam sind. Ein Druck auf die Industrie könnte höchstwahrscheinlich mit einem Verbot von weiteren Wirkstoffen erzielt werden.
Grundsätzlich wird festgehalten, dass Leitfäden, Richtlinien etc. häufig nicht bei den Nutzern ankommen und die Öffentlichkeitsarbeit dadurch nicht die gewünschte Wirkung erzielen kann. Unkenntnis der Bewuchsproblematik und der bestehenden Regularien führen häufig zu Frust und einem nicht nachhaltigen Bewuchs-Management. Dieser Runde Tisch und das dadurch entstehende Netzwerk sollen u.a. dazu dienen, eine gezielte und anwenderbezogene Öffentlichkeitsarbeit zu fördern und dadurch den Eintrag von Schadstoffen und Bioziden durch Sportboote zu minimieren, gleichzeitig aber auch die Verbreitung nicht-einheimischer Arten zu verhindern.

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